Autor: Robert Wagner, CPVD Lead | Projekt Nixus | WARR Rocketry
Über das Projekt
Das studentische Raumfahrt-Team der Technischen Universität München – WARR – entwickelt innovative Höhenforschungsraketen und forscht dabei unter anderem an sogenannten „Typ-V Composite-Drucktanks“. Diese wegweisende Technologie verspricht leichtgewichtige Tanks ohne inneren Liner, bringt jedoch große Herausforderungen im Hinblick auf Sicherheit, Simulation und Belastbarkeit mit sich. Durch den Einsatz hochpräziser Dehnmessstreifen gelingt es, das Versagensverhalten dieser Voll-Carbon-Tanks detailliert zu erfassen und so die zugrunde liegenden Simulationen für Composite-Materialien effizienter und
zuverlässiger zu gestalten.
Typ-V Composite-Treibstofftanks
Die Besonderheit von Typ-V Tanks liegt darin, dass sie sehr leicht und dennoch druckfest sind. Allerdings sind sie besonders anfällig für:
- Mikromechanische Defekte (z. B. Risse in der Faser-Matrix)
- Permeation (Gase dringen leichter durch das Material)
- Materialermüdung unter Hochdruckbelastung oder bei extremen Temperaturen
Gleichzeitig erschwert die anisotrope (richtungsabhängige) Struktur von Carbon-Composites die präzise Simulation des Versagensverhaltens. Konventionelle Berechnungsmodelle stoßen schnell an ihre Grenzen, weil das Zusammenspiel von Faserorientierung, Matrixverhalten und möglichen Mikrorissen nur schwer realitätsnah abgebildet werden kann.
Um diese Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen, setzt WARR auf experimentelle Berstfestigkeitsprüfungen an Prototypen-Tanks. Hierbei werden hochpräzise Dehnmessstreifen benötigt, um das Materialverhalten im Detail zu erfassen und anschließend in die Simulationen einfließen zu lassen, um diese zu
verbessern.
Composite-optimierte Dehnmessstreifen
Um sowohl axiale als auch radiale Dehnungen und potenzielle Off-Axis-Belastungen beim Bersten zu erfassen, hat sich das Team für BFRAB-5 Dehnmessstreifen entschieden. Diese Streifen bieten:
- Große Messfläche speziell für Verbundwerkstoffe
- Reduzierte Temperatureinflüsse durch abgestimmte Materialeigenschaften
- Mehrdimensionale Analysen dank Rosettenkonfiguration (Erfassung von Axial- und Umfangsdehnung sowie 45°-Off-Axis-Daten)
Dadurch kann das Versagensverhalten hochpräzise für Composite Strukturen beobachtet werden. Die Messkurven zeigen nicht nur, wann und wie das Material nachgibt, sondern liefern auch Anhaltspunkte für kritische Bereiche, in denen mikroskopische Risse zuerst auftreten.
Von Fertigung bis Auswertung
Die Herstellung von Typ-V Tanks im sogenannten Winding-Verfahren ist komplex und erfordert höchste Präzision. Ähnlich wie bei klassischen Prepreg-Prozessen können Fertigungsfehler wie Einschlüsse oder Trockenstellen entstehen. Gerade bei Drucktanks ist es daher entscheidend, diese Strukturen gründlich zu testen und auszuwerten, um ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten.
Im Gegensatz dazu gestaltete sich das Anbringen und Auslesen der Dehnmessstreifen überraschend unkompliziert. Mit dem mitgelieferten Klebstoff und Zubehör konnten die Streifen schnell und zuverlässig appliziert werden. Besonders praktisch erwies sich dabei die kundenspezifisch frei wählbare Länge der Messkabel, die den Aufbau erheblich erleichterte. So war eine insgesamt reibungslose und effiziente Messkampagne möglich.
Messergebnisse und Ausblick
Die präzisen Messdaten ermöglichten es uns, das Materialverhalten im Detail zu verstehen und die Tankstruktur Schritt für Schritt zu optimieren. Insbesondere die Berücksichtigung der anisotropen Eigenschaften von Carbonfasern führte zu wertvollen Erkenntnissen, die in das Design einflossen. So konnten wir im September 2025 mit Stolz unseren ersten vollmaßstäblichen Typ-V Tank präsentieren – mit einem Leergewicht von nur 2,3 kg.
Dieses Ergebnis markiert einen wichtigen Meilenstein für unser Team und zeigt, welches Potenzial innovative Messtechnik für die Weiterentwicklung von Hochleistungs-Composites bietet.
Einsatz im Raketenprojekt Nixus
Nach dem Europa-Rekord im letzten Jahr – als erste studentische bi-liquide, kryogene Rakete – starten wir dieses Jahr erneut in Portugal bei der European Rocketry Challenge (EUROC). Dort setzen wir ein weiterentwickeltes System ein. Der Typ-V Tank ermöglicht im Vergleich zur Aluminium-Alternative eine Masse-reduktion von rund 50 % und steigert dadurch die Leistungsfähigkeit unserer Rakete erheblich.