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Die verpasste Chance: Wie fehlendes Condition Monitoring zu maroden Brücken führt

Michele Pitrolo Leitung Vertrieb
Datum: 24. April 2025
Lesezeit: 4 Minuten
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Condition Monitoring (CM) bezeichnet die kontinuierliche, sensorbasierte Überwachung des Zustands technischer Systeme – insbesondere von Infrastrukturbauwerken wie Brücken. Ziel ist es, strukturelle Veränderungen, Materialermüdung oder beginnende Schäden frühzeitig zu erkennen, um gezielte Instandhaltungsmaßnahmen rechtzeitig einleiten zu können. Durch die intelligente Verknüpfung von Sensorik, Datenanalyse und Cloud-Anbindung lassen sich Risiken minimieren und Ausfälle verhindern.

Im Bereich Brückenmonitoring ermöglicht Condition Monitoring die permanente Kontrolle kritischer Parameter wie Dehnung, Neigung, Temperatur, Schwingung oder Lagerbewegungen. Das betrifft sowohl historische Brückenbauwerke als auch moderne Verkehrsinfrastruktur. Mit Systemen wie Neigungssensoren, Wägezellen oder MEMS-Beschleunigungssensoren kann die strukturelle Integrität lückenlos dokumentiert werden – oft auch an schwer zugänglichen Stellen oder über viele Jahre hinweg.

Vorteile von Condition Monitoring im Brückenbau

  • Verlängerung der Lebensdauer von Brückenbauwerken: Durch frühzeitige Erkennung von Materialermüdung oder Lastveränderungen können Brücken gezielter gewartet und langfristig betrieben werden – bevor kritische Schäden entstehen.
  • Vermeidung ungeplanter Sperrungen: Sperrungen aufgrund plötzlicher Schäden verursachen enorme wirtschaftliche und verkehrstechnische Kosten. Condition Monitoring hilft, diese zu vermeiden, indem es Warnsignale liefert, bevor Maßnahmen unumgänglich werden.
  • Zustandsbasierte Instandhaltung statt starrer Prüfzyklen: Anstelle starrer Zeitintervalle ermöglicht Condition Monitoring eine bedarfsgerechte Wartung. Maßnahmen werden dann durchgeführt, wenn die Struktur es erfordert – nicht, wenn der Kalender es vorgibt.

Großes Potenzial, geringe Umsetzung

Trotz der Verfügbarkeit präziser Sensorlösungen und praxiserprobter Systeme wird Condition Monitoring bei Brücken bislang nur selektiv eingesetzt. Gründe dafür sind oft wirtschaftlicher oder organisatorischer Natur: Unsicherheiten über das Kosten-Nutzen-Verhältnis, hohe Anfangsinvestitionen oder fehlende rechtliche Rahmenbedingungen bremsen den flächendeckenden Einsatz. Hinzu kommt die traditionelle Herangehensweise im Bauwesen: Visuelle Inspektionen und periodische Prüfungen gelten weiterhin als Standard – obwohl sie im Vergleich zum kontinuierlichen Monitoring häufig zu spät greifen.

Auch die Integration digitaler Systeme in bestehende Bauwerksstrukturen oder die Verarbeitung großer Datenmengen erfordert Know-how, das vielerorts fehlt oder unterschätzt wird. Dabei ist klar: Brücken sind sicherheitskritische Bauwerke, deren Ausfall gravierende Folgen haben kann. Condition Monitoring bietet die Möglichkeit, präventiv zu handeln – und nicht erst zu reagieren, wenn es bereits zu spät ist.

Brückenschäden, wohin man schaut

Der begrenzte Einsatz von Condition Monitoring steht in direktem Zusammenhang mit den vielen Brückenschäden, die aktuell in Deutschland und anderen Ländern sichtbar werden. Viele dieser Schäden sind das Ergebnis jahrzehntelanger Vernachlässigung, unzureichender Instandhaltung und fehlender kontinuierlicher Überwachung. Ohne regelmäßiges, sensorgestütztes Monitoring bleiben beginnende Schäden – wie Materialermüdung, Rissbildungen oder Korrosion – oft lange unentdeckt.

Statt frühzeitig einzugreifen, wird häufig erst reagiert, wenn bereits akute Sicherheitsprobleme bestehen. Condition Monitoring könnte hier frühzeitig warnen und gezielte Instandhaltungsmaßnahmen ermöglichen, bevor massive Schäden oder Sperrungen notwendig werden.

Die Situation zeigt deutlich, welche Folgen ein rein visueller oder turnusbasierter Prüfansatz haben kann: Er ist oft zu ungenau und nicht auf den tatsächlichen Zustand ausgerichtet. Prominente Beispiele sind die Talbrücke Rahmede, die Morandi-Brücke (Genua, Italien) und die Köhlbrandbrücke. Ein Umdenken hin zu smarter, kontinuierlicher Überwachung ist also dringend notwendig.

Lösungen für effektives Brückenmonitoring

Ein effektives Brückenmonitoring erfordert präzise, zuverlässige und skalierbare Technologien, um strukturelle Integrität zu überwachen und potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen. Althen Sensors bietet hierfür spezialisierte Lösungen an, die sich in unterschiedlichen Anwendungsbereichen bewährt haben.

SmartBrick: Intelligente Neigungssensorik

Der SmartBrick ist ein innovativer IoT-Sensor, der speziell für die Überwachung von Kaimauern und Brücken entwickelt wurde. Er misst kontinuierlich Neigungsänderungen und überträgt die Daten kabellos an ein zentrales Dashboard. Dank seines ultra-niedrigen Stromverbrauchs und der einfachen Installation eignet sich der batteriebetriebene Sensor ideal für langfristige Überwachungsprojekte ohne aufwendige Wartung.

In der Stadt Leiden wurde SmartBrick erfolgreich eingesetzt, um die Neigung von Brücken zu überwachen. Die gesammelten Daten ermöglichen es, frühzeitig auf strukturelle Veränderungen zu reagieren und Instandhaltungsmaßnahmen effizient zu planen. Durch maschinelles Lernen verbessert das System kontinuierlich seine Prognosefähigkeiten und trägt so zur Sicherheit und Langlebigkeit der Infrastruktur bei.

Wägezellen: Präzise Kraftmessung für strukturelle Analysen

Für die genaue Bestimmung von Belastungen und Kräften in Brückenkonstruktionen bietet Althen Sensors spezialisierte Wägezellen an. Diese Sensoren ermöglichen die präzise Messung von Gewichtskräften und tragen dazu bei, das Verhalten von Brücken unter verschiedenen Lastbedingungen zu analysieren. In einem Projekt wurden Wägezellen erfolgreich zur Verwiegung einer Brücke eingesetzt, um genaue Daten über die auf die Struktur wirkenden Kräfte zu erhalten. Diese Informationen sind entscheidend für die Bewertung der Tragfähigkeit und die Planung von Instandhaltungsmaßnahmen.

MEMS-Beschleunigungssensoren: Überwachung von Schwingungen und Vibrationen

Zur Erfassung von Schwingungen und Vibrationen in Brückenstrukturen kommen MEMS-Beschleunigungssensoren zum Einsatz. Diese Sensoren zeichnen sich durch ihre hohe Empfindlichkeit und geringe Rauschwerte aus, was sie ideal für die Überwachung von niedrigen Schwingungsfrequenzen macht. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz des IOLITEdi-3xMEMS-ACC Sensors, der in Kombination mit der DEWESoft-Software eine umfassende Analyse von Schwingungsdaten ermöglicht. Diese Technologie unterstützt die frühzeitige Erkennung von strukturellen Veränderungen und trägt zur Sicherheit von Brücken bei.

Sicherheit für historische Bauwerke

Viele historische Brücken in Europa stammen aus einer Zeit, in der heutige Verkehrs- und Umweltbelastungen noch nicht absehbar waren. In einem Projekt an einer Stahlbogenbrücke wurden kapazitive Beschleunigungssensoren (z. B. ASC 4411LN, 4415LN) und Gyroskope (z. B. ASC 271) installiert, um Mikrovibrationen und Winkeldrift unter realen Belastungsbedingungen zu erfassen. Diese Sensoren ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung struktureller Veränderungen – ohne Eingriffe in die Bausubstanz. Das System erkennt frühzeitig kritische Entwicklungen, sendet automatisierte Warnmeldungen und liefert datenbasierte Entscheidungsgrundlagen für Wartung und Budgetplanung. Die Integration in bestehende Asset-Management-Systeme unterstützt eine vorausschauende Instandhaltung und erhöht die Lebensdauer der Brücken – bei gleichzeitigem Schutz des baulichen Kulturerbes.

Permanentes Structural Health Monitoring

Beim Structural Health Monitoring (SHM) steht die dauerhafte Überwachung der strukturellen Integrität im Mittelpunkt. In einem Projekt zur Überwachung einer Schrägseilbrücke installierte Althen Sensors ein komplexes Messsystem, das kritische Parameter wie Seilspannungen, Neigungen und Schwingungsverhalten permanent erfasst. Zum Einsatz kamen u.a. MEMS-Beschleunigungssensoren (IOLITEdi-3xMEMS-ACC), digitale Inklinometer sowie maßgeschneiderte Datenerfassungssysteme.

Die Messdaten werden automatisiert aufgezeichnet und lassen sich über Softwarelösungen wie DEWESoft auswerten und visualisieren. Der Vorteil: Eine lückenlose Verlaufsdokumentation ermöglicht die Erkennung von Langzeitveränderungen und plötzlichen Ereignissen (z. B. infolge von Erdbeben oder Starkverkehr). Das ermöglicht eine zustandsbasierte Instandhaltung und reduziert das Risiko von Ausfällen deutlich.

Fazit

Ein erfolgreiches Brückenmonitoring erfordert den Einsatz verschiedener Sensorlösungen, die auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Struktur abgestimmt sind. Althen Sensors bietet mit Produkten wie Wägezellen, maßgeschneiderten Sensorlösungen für historische Brücken, Fernüberwachungssystemen und umfassenden SHM-Lösungen ein breites Portfolio für die Überwachung und Analyse von Brücken. Durch die Integration dieser Technologien können potenzielle Risiken frühzeitig erkannt und Instandhaltungsmaßnahmen effizient geplant werden, was zur Sicherheit und Langlebigkeit der Infrastruktur beiträgt.

Sie haben Fragen zu Condition Monitoring?

Kontaktieren Sie uns - wir beraten Sie gerne.

Ali Bagheri

Technical Sales Engineer